Die Besucher der Gastronomiekinos
Die Kinoverwalter und -mitarbeiter, die sich mit den Gastronomiekinos um attraktivere Lichtspielhäuser und damit höhere Besucherzahlen und Einnahmen bemühten, erzielten schnell Erfolge: In Scharen strömten die hellauf begeisterten Zuschauer in die ungewöhnlichen Lichtspielhäuser und entrichteten bereitwillig den höheren Eintrittspreis.
wichtiges Utensil in Gastronomiekinos; Original: Tröger
Erinnerungen
- "Die Möglichkeit, neben dem Kinosessel einen Flüssigkeitsbehälter auf einem eigens dafür konzipierten Tischchen abstellen zu können, das Angebot, einen solchen Behälter überhaupt im Kino erst zu erwerben und dann zu entleeren inmitten des Besucherkollektives, das war etwas, das man später ein Alleinstellungsmerkmal nennen sollte. Der Autor in seiner damaligen Existenzform als junger Intellektueller erkannte eine gewisse revolutionäre Lässigkeit darin, während der Darbietung Flüssigkeit zu verzehren. Goya und Gamza, Rubljow und Radeberger. Oder so. Das hatte irgendwie etwas Progressives."
Henryk Goldberg über den Erfurter Kinoklub. In: Die Nase guckt mit. Thüringer Allgemeine, 5.5.2005.
- "Ich war in meinen Kindertagen mehrmals in diesem besagten Klubkino und weiß noch, dass ich einmal, ganz klein, 'Rübezahl' dort gesehen habe, ein anderes Mal – schon etwas größer – 'Ronja Räubertochter', und dass sie dort einmal bei irgendeinem anderen Kinderfilm den Film sogar nur für mich und meine Mutter gezeigt haben, weil niemand anders da war.
Wenn ich in meinem Gedächtnis krame, weiß ich auch noch, dass es, obwohl es klein war, eine Loge gab (also eine richtige balkonartige über dem Hauptteil), und dass man auf richtig bequemen Kinosesseln mit grünem oder rotem samtartigen Bezug sitzen konnte (also nicht die ekligen DDR-Kinoklappsitze).
Einmal habe ich dort, glaub ich, auch 'Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh' mit meiner Schwester und ihrer Freundin gesehen und dabei (Vita- oder Club-?) Cola getrunken und Salzstangen geknabbert. [...] Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Kino ziemlich schnell nach der Wende zugemacht wurde. War aber wirklich sehr schön dort und viel schöner als im großen Kulturhauskino."
Besucher des Klubkinos Suhl (eröffnet 1977), Jg. 1976
- "Ich war da [...] mal mit meiner Oma drin. Es war ziemlich mondän, wirkte eher wie ein Herren- statt ein Jugendklub. Kleine runde Tische mit drei bis vier Stühlen locker im Raum verteilt, ich glaube, alles war in rot gehalten."
Besucherin des Klubkinos Suhl (eröffnet 1977), Jg. 1979
typisch DDR-Gastronomie ;-); Original: Tröger
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"Die 'Visionsbar' der 'Schauburg' jedenfalls, eine urgemütliche Mischung aus 'Mitropa' und dem Charme eines Kombinatsdirektor-Büros, war bis zur Wende fast immer ausgebucht. [...]
Manch schöne Erinnerung ist mit der 'Visionsbar' nun allerdings endgültig dahingegangen. Wie das legendäre 'Feuerfleisch', dessen Gehalt an Salz und scharfem Paprika nicht über die mangelhaften Kochkünste des gastronomischen Personals hinwegzutäuschen vermochte,
wohl aber den Umsatz des Etablissements steigern half.
Und zu dem Brennen im Hals kam das Brennen im Auge.
Von der mehrfach geteilten Glasscheibe zwischen Bar und Leinwand hatte man, an welchem der Tische man auch saß, immer einen Balken im Bild.
Für die erlittenen Strapazen wurde man am Ende jedoch entschädigt: Durch die neidvollen Blicke der unterprivilegierten Kinobesucher, die sich die Visionsbar nicht leisten konnten oder den Kartenverkäufer nicht kannten, und die, wenn in den Abspann hinein das Licht wieder anschwoll, traurigen Blicks an der Visionsbar vorbeidefilierten."
Angela Stuhrberg über die Visionsbar der Schauburg Dresden (eröffnet vermutlich 1978). In: Nie wieder Visionsbar. Sax, 05/1994, S. 16.
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"Gewollt war wohl so eine Art 'Delikat' für Kinobesucher, NÖP im Kino.
Karten für die Visionsbar wurden zur Währung.
Und es waren mitunter merkwürdige Besucher, die, vom profanen Publikum durch Glaswände getrennt, auf Selbiges herabschauten und bei Feuerfleisch und Herrengedeck kein Problem hatten, Klimows 'Geh und sieh' mehr oder weniger aufmerksam zu verfolgen."
Karsten Fritz ebenfalls über die Visionsbar der Schauburg Dresden (eröffnet vermutlich 1978). In: Von einer Vision zur Visionsbar und wieder zurück. Sax, 10/1997, S. 8.
- "Wir haben sogar mehrere Fliegen mit einer Klatsche geschlagen! Wir haben ja eben wirklich auch die Menschen über die Sache [=Visionsbars] wieder an den Film geführt." Die "potentielle[n] Filmbesucher waren ja junge Menschen. Aber das Mittelalter und so weiter, die sind dann gerne lieber in die Kinobar, weil die nicht gestört waren. Das hat funktioniert, das muss man so sagen, das hat echt funktioniert! Die haben dann eben, wenn sie nachmittags [ins Kino kamen], ihre Tasse Kaffee getrunken, und das war's. Es musste ja kein Alkohol sein! Oder haben eben Saft getrunken oder so was.
Es wurde auch geäußert: Na, hier ist ja Niveau. [...] Es wurde ja alles bedient."
ehemalige Kreisfilmstellenleiterin Merseburg und Theaterleiterin "Völkerfreundschaft" Merseburg (dortige Visionsbar eröffnet 1976)
- "Ich selbst war früher Gast im Kino-Café, die Verbindung Gastronomie und Film war sehr angenehm."
Besucherin des Kino-Café Guben (eröffnet vor 1977)
- Das Publikum eines Kino-Cafés im Bezirk Cottbus: "Grundsätzlich gilt zu sagen, dass ein Kino-Café auf Grund der Rauchmöglichkeiten sein eigenes Publikum hatte. Wenn man die gastronomische Versorgung mit den damaligen Häusern vergleicht, wird man sehr schnell feststellen, dass ein Kino-Café doch die Alternative war. Es gab zu trinken, zu essen (auch warm) und man konnte rauchen. Vom Gefühl möchte ich sagen, dass die [Gäste] von 25- bis 35-jährig [waren] und zum großen Teil aus den unteren sozialen Schichten kamen. Ich muss hier allerdings dazusagen, dass dies immer von den Gaststättenbetreibern abhing, die ja Fremdfirmen waren. Waren die nur auf Umsatz aus, wird aus einem solchen Kino schnell eine Trinkhalle."
ehemaliger Leiter Filmtheater "Friedensgrenze" Guben
Tanja Tröger 2004–2013