Wendefolgen: Kahlschlag vs. Klubkino-Kult

Die "Wende" 1989/90 bedeutete für die meisten Klubkinos und Kinoklubs das Aus. Das neue Wirtschaftssystem und dessen Auswirkungen auf den Kinobetrieb (Filmmieten, viel weniger Subventionen, höhere Eintrittspreise, drastische Reduktion der Mitarbeiterzahl etc.) ließen einen Kinobetrieb in Orten mit weniger als 30.000 bzw. 50.000 Einwohnern nicht rentabel erscheinen – so zumindest die Erfahrungen aus dem Altbundesgebiet. Da viele Klubkinos in Kleinstädten oder Gemeinden angesiedelt waren, wurden sie recht schnell geschlossen.

Clubkino Neukirchen Ende 2002, kurz vor dem Abriss; Foto: Tröger das geschlossene Clubkino Großenhain (eröffnet 1985) Ende 2003; Foto: Tröger
li: im ehemaligen Clubkino Neukirchen (eröffnet 1980), Ende 2002, kurz vor dem Abriss
re: das geschlossene Clubkino Großenhain (eröffnet 1985) Ende 2003; Fotos: Tröger

Von rund 65 Klubkinos und Kinoklubs im Jahre 1989 werden heute noch knapp zehn als Filmtheater betrieben. Die meisten wurden allmählich modernisiert, in anderen dagegen ist die DDR durch Architektur, Ausstattung und Geruch derart konserviert, dass man sich um mehr als 20 Jahre zurückversetzt glaubt.

Einbruch der Kinobesucherzahlen nach 1990

Zudem ging der Kinobesuch nach der Wende ohnehin drastisch zurück – wer hat schon Muße für Leinwandabenteuer, wenn gerade das gesamte Leben umgekrempelt wird? Und wenn man sich dann doch mal einen Abend auswärts gönnte, so ging man doch lieber in die großen Häuser und nagelneuen Multiplexe mit ihren dick gepolsterten Sesseln und ausgeklügelten Tonanlagen, die dem gelernten DDR-Bürger einen bis dahin ungeahnten Hörgenuss bescherten. Kleine Kinos dagegen, in denen es noch nach DDR aussah und roch, wollte kaum jemand. Waren die Zuschauer noch wenige Monate zuvor vom Service- und Imbissangebot begeistert gewesen, konnte man nun mit Bockwurst und Raucherlaubnis niemanden mehr von Privatsendern, dem neuen Auto und dem VHS-Player weglocken.

der ehemalige Kinoklub Waltershausen (eröffnet 1985), hier im April 2008, ...; Foto: Schiebler ... beherbergte eine Zeitlang die Diskothek 'Nightshift'; Foto: Schiebler
der ehemalige Kinoklub Waltershausen (eröffnet 1985), hier im April 2008, beherbergte eine Zeitlang die Diskothek "Nightshift"; Fotos: Schiebler

Kritikwürdige Verkaufspraxis der Treuhand

Doch nicht nur das neue Wirtschaftssystem und die gesellschaftlichen Veränderungen waren Ursachen für die Kinoschließungswelle, sondern auch die Abwicklungspraxis der Treuhand: Die meldete erst 1991 Ansprüche auf die zunächst in kommunales Eigentum übergegangenen Lichtspieltheater an. Zuvor hatten in den meisten Bezirken die ehemaligen BFD-Mitarbeiter versucht, möglichst viele Kinos und Arbeitsplätze zu erhalten, indem sie aus der "Abwicklungsmasse" eigene Kinogesellschaften gründeten. Viele Häuser wurden auch durch westdeutsche Firmen, ehemalige Theatermitarbeiter bzw. die Kommunen betrieben. Als dann jedoch die Treuhand entschied, Häuser samt Grundstücken und Inventar dem jeweils Meistbietenden zuzuschlagen, spielten kulturell-sozialpolitische Überlegungen und die Interessen des Publikums keine Rolle mehr. Der Verkauf geschah in aller Regel ohne Ansicht bereits bestehender Konzepte der ehemaligen BFDen und ohne Prüfung der Pläne der finanzkräftigen Kaufinteressenten.

Folge: Kulturabbau

Die Folgen waren vor allem für kleinere Orte gravierend, denn oft musste eine der wenigen, wenn nicht die einzige Kultur- und Veranstaltungsstätte im Ort dran glauben – um deren Erhalt, Sanierung oder Neubau man einst lange und zäh gerungen hatte.

Die positiven Beispiele

Club-Kino Zinnowitz im April 2008; Foto: Malz Clubkino Siegmar heute: Kino+Filmwerkstatt+Filmclub+Fotolabor; Foto: Tröger
spielen noch: Club-Kino Zinnowitz und Clubkino Siegmar (Chemnitz); Fotos: Malz (li), Tröger (re)

Wo sich jedoch Vereine, Kinomitarbeiter und Stadtväter für ihr Kino stark machten, konnten sich Programmkinos, seltener auch Häuser mit "Mainstream"-Programm, aus den Klubkinos entwickeln. Musterbeispiele für eine gelungene "Wendung" und heute durchaus als "Kult" zu bezeichnen sind der Erfurter "Kinoklub am Hirschlachufer", das "Clubkino Siegmar" in Chemnitz oder das "Clubkino Gelenau".

Die mussten sich allerdings erst mühsam einen Namen erarbeiten. Als Mini-Kino hat man es beispielsweise bei Verleihen schwer, die ihre Filme natürlich lieber in großen, renommierten Häusern plazieren möchten: "'Was sind Sie? Ein Haus mit hundert Plätzen?! Wo is'n das – ehemalige DDR?!' Die waren immer erst mal ein bissel vorsichtig.", erzählt ein ehemaliger Theaterleiter aus Chemnitz.

Tanja Tröger 2004–2013